Radreise Japan Teil 1: Hokkaido mit Hindernissen

Von | 10. August 2018

Dass alles glatt läuft, haben wir ja gar nicht erwartet. Uns war ja klar, dass gewisse unvorhersehbare Hindernisse auf uns zukommen werden. Und damit sind nicht die vielen Steigungen schon von Beginn an gemeint. Wir sind beide das erste Mal in Asien, Sprache und erst recht Schrift sind uns fremd – und unser Japanischkurs war nahezu nutzlos. All das war uns schon vor dem Start klar. Auch, dass die Fahrräder Schäden haben können, wenn wir sie um den halben Erdball nehmen. Das Abenteuer aber ist vielmehr das Managen der Pannen, das Finden einer radelbaren Route oder die Suche nach einen Supermarkt. Wenigstens am Anfang könnte alles glatt laufen, haben wir gehofft. Aber wenn wir eine einfache Reise gewollt hätten, hätten wir nur die Donau herunterradeln sollen.

Die Ankunft: Spaziergang statt Losradeln

Jeder erfahrene Reiseradler hätte uns für dämlich erklärt, die Räder, wenn auch mit Luftfolie gepolstert, mitsamt etwas Gepäck einfach in zwei leichten Rennradtaschen nach Japan mitzunehmen. Das war einfach nötig, da wir die 500 Gramm leichten Radtaschen mitnehmen müssen, um sie wieder für den Rückflug in Fukuoka im Süden verwenden zu können. Tatsächlich gibt es keinen Königsweg, das Rad richtig für den Flieger zu verpacken. Ein Hartschalenkoffer ist unpraktisch für Reiseradler, das Rad unverpackt einzuchecken auf Langstreckenflüge nicht erlaubt. Mit letzterer Methode bin ich bisher immer gut gefahren bzw. geflogen.

Die Räder am Chitose Airport auf der Nordinsel Hokkaido ausgepackt und siehe da: keine Schäden! Alles blieb heile. Das haben wir wirklich nicht erwartet. Die Taschen haben einige Löcher und die Trageschlaufen sind gerissen, aber das ist nicht so schlimm. Hauptsache, die Räder leben! Zusammengeschraubt, aufgepumpt und losgeradelt! Zumindest einige Hundert Meter lang, bis Sophies hinterreifen mal eben mit einem lauten Knall platzt. Kein Problem, der Schlauch ist schnell geflickt. Als wären wir darauf nicht vorbereitet gewesen! Aber keine zehn Meter platzt er nochmal. Ich habe übersehen, dass die Seitenwand des nagelneuen Mantels gerissen ist. Ganz toll! Der lässt sich nicht flicken. Daher bleibt uns nichts anderes übrig, als vom Flughafen in die Stadt nach Chitose zu schieben. Was für ein Start!

Wir sind am frühen nachmittag gelandet, haben 18 Stunden Flug inklusive Jetlag in den Knochen und irren irgendwelche Seitenstraßen entlang. Kommt noch dazu, dass die eigentlich zuverlässige Karte auf meinem Smartphone uns in Sackgassen lotst und wir deprimiert, fluchend und innerlich kotzend umdrehen müssen.

Es war also schon längst dunkel, als wir am Hotel ankommen, dass wir uns gegönnt haben, um erst mal richtig auszuschlafen. Trotz des guten Services von China Airlines an Bord und drei Mahlzeiten innerhalb der 18 Stunden haben wir einen Riesenhunger, fallen aber im Bett todmüde in ein zwölfstündiges Schlafkoma.

Chitose ist zum Glück kein Dorf, es gibt hier einige Radläden, wo ich eben einen Mantel samt Schlauch kaufe, während Sophie vor dem Hotel wartet und sich von neugierigen Japanern fotografieren lässt. Wir waren scheinbar die einzigen Europäer in der Stadt. Im Flug von Taipeh nach Sapporo/Chitose waren wir schon die einzigen Nicht-Asiaten und am Flughafen sind neben uns ausschließlich Chinesen als Touristen eingereist. Hierhin verirrt sich also kaum ein Europäer, schon gar nicht mit dem Fahrrad.

Es geht endlich los, nur wohin?!

24 Stunden nach Landung kann es also von Chitose aus also endlich losgehen. Hier auf Hokkaido sind es nur wenige Hundert Kilometer bis zur Fährfahrt nach Honshu, der „Hauptinsel“ auf der alle großen Metropolen liegen. Schon in der Vorbereitung ist mir aufgefallen, dass es hier keine Radwege gibt. Wir haben also die Wahl zwischen unbefestigten hügeligen Wegen und engen, vielbefahrener Hauptstraße. Wenn überhaupt. Oft gibt es keine Alternative zur Straße. Wir entscheiden uns für den ersten Tag für die Seitenstraßen – also eher Waldwege. Die lassen sich auch anfangs gut fahren und auch das Wetter ist perfekt, leicht bewölkt bei angenehmen 20 Grad, während Deutschland noch immer ein einziger 30-Plus-Backofen ist. Mit den Seitenstraßen erweist sich aber unsere Karte wieder als etwas unzuverlässig und lotst uns in das ein oder andere Gestrüpp und zwingt uns mal wieder zum Umkehren. Weit kommen wir daher am ersten Tag nicht und schaffen die ca. 70 Kilometer auch nur, weil wir gegen Nachmittag den Südstrand erreicht haben und konsequent die enge Hauptstraße entlang gefahren sind. Trotz LKWs und engen Seitenstreifen ist das weniger schlimm als gedacht. Die Japaner fahren äußerst rücksichtsvoll und wir nehmen an, dass deren Autos gar keine Hupe haben. Was die Japaner aber auch nicht haben, sind Radwege. In den kleinen Städten fahren die wenigen Radler auf ihren rostigen, klapprigen Rädern einfach auf dem Gehsteig, was wir wegen viel Verkehr oft auch machen. Die ganzen Schlaglöcher und anderen Unebenheiten zerren aber an den Nerven. Daher streiten wir hin und wieder darüber, wo wir fahren sollen. Sophie will so wenig wie möglich auf die Straße, mir aber schmerzen die Hände wegen dem Gerüttel.

Hier in Japan wird es schnell dunkel, was wir am ersten Radeltag nicht bedacht haben. Außerdem war der erste von uns angefahrene Campingplatz geschlossen. Bleibt also nur das Wildcampen, was für mich kein Problem ist, für Sophie schon eher. Am Waldrand sind wir hoffnungslos den Mücken ausgesetzt. Ich habe den Tanz des schnellen Zeltaufbaus schon in Norwegen perfektioniert und Sophie schnell instruiert. Rein ins Innenzelt und am besten nie mehr raus. Katzenwäsche für eine Nacht ist mit Feuchttüchern auch mal okay, ansonsten warten ja am nächsten Tag Meer und die Bäder, sog. Onsen, auf uns.

Am Südzipfel von Hokkaido müssen wir eine Bucht entgegen des Uhrzeigers umfahren. Am Nordstrand wartet die enge Hauptstraße, viele Steigungen und noch schlimmer: zahlreiche Tunnel auf uns. Die Tunnel sind teilweise so eng, dass kein Überholen der Autos bei Gegenverkehr möglich ist. Jedes Mal, wenn ein LKW von hinten angebraust kommt, beten wir, dass er uns sieht. Ich winke trotz Rücklicht schon wild, wenn ich einen höre. Zum Glück sieht uns jeder rechtzeitig und wartet geduldig. Schweißgebadet stoppt Sophie stets am Ende jeden Tunnels. Ich versuche zu beruhigen und rede von den rücksichtsvollen Autofahrern. Uns entgegnen hier auch die ersten Reiseradler. Witzigerweise Japaner auf Rennrädern ohne Taschen, aber mit großem Trekkingrucksack auf dem Rücken.

Der zweite Tag endet an einem unbewirtschafteten, freien Campingplatz auf einem Kap mit Rundumblick zu Meer und Strand. Es gibt fließend Wasser, ein Segen, und sogar Plumpsklos. Leider beherrsche ich das Geschäft in der Hocke nicht. Generell ist jede japanische Toilette an sich ein Traum. Stets elektrisch beheizt, mit Bedée und Sitzdesinfektion – ausnahmslos. Außerdem in jedem Supermarkt oder Tankstelle zu finden. Außer einem Motorradtourer sind wir die einzigen am Platz. Als wir früh aufwachen, war er auch schon weg, sodass wir draußen mit dem praktischen Wassersack draußen duschen konnten. Uns fehlt es also an nichts.

Tag drei und vorletzter Tag auf der Nordinsel Hokkaido beginnt wieder mit einer Panne. Eine Speiche am Hinterrad ist gerissen, natürlich auf Flaschseite, sodass sie nicht einfach auszutauschen ist. Ersatzspeichen habe ich dabei, da ich auf Touren mehr Speichenrisse als Platten habe, warum auch immer. Ich kann den Achter im Hinterrad dank Laufradbaukurs etwas auspegeln, der Kloß im Magen bleibt aber, da das nach Rahmenbruch fast die schlimmste aller Pannen ist. Ich fahre zwar vorerst weiter, das Hinterrad kann mir aber jederzeit um die Ohren fliegen. Unser Ziel Hakodate ist noch zwei Tagesetappen und etliche Höhenmeter entfernt. Dort gibt es sicherlich einen Radladen. Aber ob der mir das Laufrad flicken kann? Oft müssen mehrere Speichen gewechselt werden, da auch die angrenzenden einen „Hau“ weg haben. In Norwegen hatte ich dasselbe Problem und ich musste das ganze Laufrad für teuer Geld austauschen. Außerdem war mein jetziges Laufrad schon ein gutes und ich habe diesmal daran nicht gespart. Nabe und Felge waren noch gut. Die im schlimmsten Fall einfach wegzuschmeißen, lässt nicht nur den kleinen Ökonazi in mir weinen.

Ich bremse also bergab immer ordentlich und schaue nach jedem Schlagloch und jedem Stein besorgt aufs Hinterrad. Wir kommen zum Glück unbeschadet nach Hakodate, wo wir uns nach nur drei Zeltnächten schon wieder ein Hotel und ein deftiges Abendessen mit Sushi, Fleisch und Nudeln gönnen. Für den fünften Tag in Japan steht nur auf dem Plan, in der Stadt einen Radladen für das Hinterrad zu finden und anschließend mit der Fähre vier Stunden lang aufs Festland bzw. auf die Hauptinsel überzusetzen. Wir beide merken die vielen Kilometer, Höhenmeter und Zeltnächte in den Knochen. Das ist uns aber klar, weil wir partout nichts für die Reise trainiert haben. Abgesehen davon sind wir sowieso keine Sportskanonen. Zehn Stunden haben wir gut geschlafen, jetzt beten wir, dass ein japanischer Schrauber sich erbarmt, das Hinterradproblem lösen zu können.

Kategorie: Allgemein

4 Gedanken zu „Radreise Japan Teil 1: Hokkaido mit Hindernissen

  1. Louie

    Wann berichtet ihr weiter? Meine Pflegemenschen und ich sind schon sehr gespannt. Wünschen euch eine gute Reise.?Liebe Grüße Louie!

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  2. Sabine

    Hallo,
    ich verfolge gespannt eure Bilder und warte schon auf weitere Reiseberichte!!!
    Wünsche Euch noch eine tolle Reise und viele wundervolle Eindrücke!
    Gruß Sabine

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  3. Kerstin Scharf

    Ich freu mich schon so auf Teil 2 und fühle mit Sophie 🙂 Die Toiletten haben mich in Korea auch immer aufs Neue begeistert.
    Weiterhin viel Spaß, hoffentlich rentiert sich der Japanischkurs noch,
    Schöne Grüße aus der Normandie,
    Kerstin

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  4. Louie

    Ich bin richtig froh, dass ich nicht auf dieser Reise dabei bin . Ich liege entspannt auf dem Sofa und genieße das Leben. Herzlichst Louie
    Ll

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